Vor einigen Jahren schickte mir meine amerikanische Tante ihre alten Vinyl-LPs. Ich nahm sie in die Hände, bewunderte die graphische Gestaltung der Covers; hatte aber keinen Plattenspieler.
Wenn man früher eine LP von ihrer Plastikverpackungen befreite, hielt man in den Händen ein mehr oder weniger gelungenes graphisches Werk.
Wenn ich heute den weichen Plastiküberzug bei einer CD aufreiße, halte ich in einer Hand einen flachen zerbrechlichen Setzkasten aus durchsichtigem Duroplast mit integriertem Bilduntersetzer.
Alle standardisierten Formen wie Kacheln, Streichholzschachteln, Klopapierrollen usw., und eben auch CD-Hüllen, bieten sich als Gestaltungsvorlagen an. Man beklebt die Klinker mit Abziehbildchen, streicht eine Schachtel an, stapelt und klebt Papierrollen auf- und aneinander.
Ich gestalte CD-Plastikhüllen nicht nur deshalb mit so besonderer Vorliebe, weil diese in ihrer Ästhetik und Funktionalität uneingeschränkt indifferent sind, sondern vor allem deswegen, weil ich Musik mag (und vielleicht auch deshalb, weil ich kein Musikinstrument spielen kann).
Wenn wir heute Musik hören wollen, brauchen wir keine großen Geräte wie früher. Auch die gehörte Musik ist meistens unsichtbar und abstrakt, braucht ihrerseits weder eine repräsentierende Verpackung noch eine sonstige artefaktische Formgestaltung. Und die Musik generierenden Geräte werden auch immer kleiner und man trägt sie allemal unsichtbar.
So habe ich zwar mit der konkreten Unsichtbarkeit und Ungreifbarkeit der Musik zu leben gelernt. Aber manchmal überkommt mich, infolge ihrer Allgegenwärtigkeit und ihrer steten Erreichbarkeit, das Gefühl, in einer Welt aus durchsichtigem Plastik zu sitzen.
Und in diesem Zusammenhang macht es mir deshalb immer mal wieder große Freude: einen gestalterischen und greifbaren Bebilderungsbeitrag zu leisten, die allgegenwärtige Durchsichtigkeit zu verschatten.
Sicher, man könnte diese meine Tätigkeit auch als die Arbeit eines Musik-Sarg-Gestalters sehen.
Nun gut, aber da summe ich schon entgegen: uno, due, tre, quattro.
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